Nun reicht’s, Wähler, du hast deine Stimme abgegeben, jetzt brauchen wir dich nicht mehr!

Am Beispiel der Wahlen im spanischen Andalusien lassen sich einige allgemeine Entwicklungen erkennen:

Da gab es eine Art von Sozialdemokratischer Regierung über 36 Jahre, die in dieser Zeit die üblichen Skandale und Verschleissprozesse durchlief.

Da gab es ein neues Bündnis zweier „echter Linksparteien“ die unter neuem Namen weniger Stimmen abräumten, als getrennt bei der letzten Wahl.

Da gab es die Mitte-Rechts Partei, die nach Namenswechseln direkt von Franco-Akteuren in die neue Zeit der Demokratie übergeführt wurde.

Da gab es eine Art von neoliberaler Partei ohne Geschichte und klares Profil, die von Wahl zu Wahl hinzugewann ohne sich hingegen nach Verantwortung zu drängen.

Da gab es noch die Neuen, die ganz Rechts außen eingeordnet wurden und denen man im bisher tiefroten Andalusien keine Chance einräumte.

Nun schritt der Wähler zur Tat, zur Wahl und Folgendes geschah:
Es gingen weniger ins Wahllokal, das zeichnete sich schon den ganzen Tag lang ab. Die ewigen Spezialdemokraten verloren rund 30% und wurden trotzdem größte Partei, fast wie immer also, mit dem einen Unterschied, daß es nicht mehr zur absoluten Mehrheit reichte, wie schon beim letzten Mal, übrigens…

Die andere Regierungspartei, die Mitte-Rechts-Partei mit Franco-Wurzeln, welche die Sozialdemokraten in der vergangenen Legislaturperiode geduldet hatte, wurde ebenfalls mit -20% vom Wähler abgestraft, doch zusammen hätten sie noch immer die absolute Mehrheit um nun auch ganz offiziell weiter zu regieren, was auf Deutschland übertragen eine Art GroKo bedeuten würde. Der Wähler hat also beide abgestraft, aber nicht genügend um ihnen ein „weiter so“ unmöglich zu machen.

Wenn man das Wahlergebnis im traditionellen Links/Rechts-Schema betrachtet, dann wären alle Parteien außer den Spezialdemokraten und dem echten Linksbündnis, alle anderen Rechte Parteien, oder „Faschos“ wie man sich stets gern gegenseitig beschimpft. Siehe da: Alle „Faschos“ zusammen hätten genau die gleiche Sitzanzahl im Parlament wie diese GroKo und folglich ebenfalls die absolute Mehrheit!

Da hat der Wähler ja einen schönen Schlamassel angerichtet, zu dumm zum Wählen?

Drei Tage nach dem Schock werden eifrig alle irgendwie möglichen Regierungsvarianten durchgerechnet, eine GroKo, Ultra-Linke dulden „Faschos“ um die Ultra-Rechte, die „Super-Faschos“ zu verhindern. Die Spezialdemokraten, noch immer größte Partei gehen in die Opposition und schauen zu?

Der Wähler wundert sich, aber er ist nicht mehr gefragt, denn jetzt wird er nicht mehr gebraucht. Das könnte in Andalusien zu spanischen Verhältnissen führen, denn auch in Madrid in der Zentralregierung sitzt einer, der keine eigene Mehrheit hat, der mit erklärten separatistischen Verfassungsfeinden per Misstrauensvotum an die Macht kam und jetzt peinlich „herumeiert“ und Scheinaktivitäten (wie schön ist es doch, als spanischer Präsident um die Welt zu düsen, weit weg vom Schlamassel in Madrid) und Pseudo-Politik abliefert, die so korrekt ist, wie seine Doktorarbeit.

Dieses Problem ist aber kein Spanisches. Es gibt in den meisten EU-Staaten einen Konflikt zwischen Parteien, Ansprüchen von Parteiprogrammen und der in Wahrheit abgelieferten „Realpolitik“. Wir erleben derzeit in Frankreich, dem UK, in Deutschland, in Italien natürlich, in Polen, in Ungarn, und, und… Ähnliches, nämlich populistische Wählerverarsche.

Wenn der Wähler also das Gefühl oder gar die Erkenntnis gewinnt „die sind doch alle gleich“, dann haben „neue Gesichter und Parteien, von denen die Wähler sich scheinbar noch nie betrogen fühlten, einen taktischen Vorteil…

4 Responses to Nun reicht’s, Wähler, du hast deine Stimme abgegeben, jetzt brauchen wir dich nicht mehr!

  1. Michael Alvaro sagt:

    Gute Analyse! Gespannt darauf, wie es weiter mit der Regierungsbildung in Andalusien geht.

    Traurig wiedermal das Verhalten bzw. die Kommentare der sozialistischen Zentralregierung. Sie regieren dank Partien, die in Deutschland schon längstens wegen ihren verfassungswidrigen Parteiprogrammen und ihre gegen die Verfassung gerichteten Handlungen verboten wären und gehen nun hin und bezeichnen VOX als verfassungswidrige Partei, einzig weil diese postuliert, aus Kosten- und Solidaritätsgründen die spanischen Autonomien abschaffen zu wollen. Ich befürworte auf keinen Fall, dass die Autonomien abgeschafft werden sollen, habe aber seitens VOX nie gehört oder gelesen, dass sie diese angestrebte Verfassungsänderung ausserhalb eines gesamtspanischen und damit ebenso legitimen wie legalen Referendums erwirken wollen.

    Auch wenn VOX’s Anstreben als nicht erstrebenswerte Maximalforderung betrachtet werden kann, darf doch der bestehende Unsinn, wonach eine autonome Region Gesetze erlassen darf, die Geschäfte büsst, welche in der Landessprache angeschrieben sind. Einzig zur angeblichen Förderungen einer Regionalsprache. Man stelle sich vor, ein moderner bayrischer Pompeu Fabra kommt daher und gibt dem Bayrisch eine eigene Grammatik, um im Anschluss daran, die bayrische Regierung Gesetze erlassen sehen, welche Münchner Geschäfte mit horrenden Bussen bestraft, wenn sie auf Hochdeutsch angeschrieben sind. Käme man sich da nicht im Land der Leute von Seldwyla hoch zehn vor? Nun, dies ist nicht etwa einem fiktiven Seldwylaroman entsprungen, sondern krude Realität im heutigen Katalonien.

    Die Autonomien müssen nicht gleich abgeschaffen werde, aber doch durch entsprechende Barrieren soweit unter Kontrolle gebracht werden, dass Unsinnexesse unterbunden werden können.

    Eine Verfassungsanpassung ist in Spanien daher zwingend nötig!

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    • almabu sagt:

      Spaniens System von regionalen Comunidades und Autonomien ist im Wesentlichen dem föderalen System der Bundesländer in Deutschland abgeschaut worden, von den Vätern der Spanischen Verfassung, geht aber bei den Autonomien sogar weiter und gewährt diesen Rechte und Kompetenzen, die kein deutsches Bundesland besitzt. Ob ein zentralistisches System wie z.B. in Frankreich, oder ein föderales System wie in Spanien prinzipiell besser bzw. schlechter als das Alternativmodell sind, vermag ich nicht zu sagen. Bei uns in D hat die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts zum föderalen Modell geführt. Der katalanische Separatismus ist weder frei, noch demokratisch, sondern ein eher faschistoides Gesellschaftsmodell mit zudem einer Portion Rassismus ausgestattet. Sie schaffen es aber mit ihrer permanenten Opferrolle (und womöglich mit gelegentlicher finanzieller Unterstützung?) Medien für sich einzunehmen. Man könnte Katalonien auch „Subventionistan“ nennen ;-)

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      • Michael Alvaro sagt:

        Sehe ich auch so. Deinen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Immer wieder vermag ich erstaunt festzustellen, wie solide und durchgängig Du informiert bist.

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