Frankreich nach dem ersten Wahlgang, alles wie gehabt?

1.) 23,9% = Emmanuel Macron, EN MARCHE
2.) 21,4% = Marine Le Pen, FRONT NATIONAL
3.) 19,9% = François Fillon, LES REPUBLICAINS
4.) 19,6% = Jean-Luc Mélenchon, FRANCE INSOUMISE
5.) 06,3% = Benoît Hamon, PARTIE SOCIALISTE

Die wahlberechtigten Franzosen in Deutschland gaben in drei Zentren ihre Stimmen ab und sie taten dies sehr anders als ihre Landsleute im Mutterland:

Berlin: 50% für Macron, 2% für Le Pen.
Hamburg: 54% für Macron und 4% für Le Pen.
Stuttgart: 57% für Macron und 4% für Le Pen.

Mit einem solchen Ergebnis in Frankreich wäre Macron bereits im ersten Wahlgang direkt gewählt worden, ein Zweiter Wahlgang somit überflüssig gewesen…

Das Ergebnis zeigte die Favoriten seit den ersten Umfragen auf den ersten beiden Plätzen, nur in vertauschter Reihenfolge. Die Umfragen hatten lange Zeit Marine Le Pen an erster Stelle gesehen und nun liegt der Fall umgekehrt. Macron hat mit 2,5% „die Nase vor“ Le Pen.

Die Wahlbeteiligung von 78,69% lag auf einem sehr respektablen Niveau, wenngleich knapp 2% unter der von 2012 bei der späteren Wahl François Hollandes. Zwischenzeitlich war ein Einbruch der Wahlbeteiligung befürchtet worden, denn in Umfragen hatte rund ein Drittel der Befragten erklärt, sich noch nicht definitiv zur Teilnahme am Ersten Wahlgang entschieden zu haben.

67.000 Wahllokale seien von 57.000 Polizisten bewacht worden. Zu größeren Zwischenfällen soll es nicht gekommen sein.

Inzwischen haben bereits zwei unterlegene Kandidaten zur Wahl von Emmanuel Macron in der Stichwahl aufgerufen und zwar François Fillon und Benoît Hamon. Jean-Luc Mélenchon ziert sich anscheinend noch etwas. Ich rechne aber nicht damit, daß er am Ende gar zur Wahl Le Pens aufrufen wird? (ein schlechter Scherz, meinerseits!)

Es wird von vielen Beobachtern gesagt, daß das Ergebnis eine Ohrfeige, eine schallende Niederlage für die etablierten Parteien gewesen sei. Das ist zwar sicher richtig, aber keinesfalls neu, sondern eher ein längerfristiger Trend, der hier höchstens allgemein deutlich wurde.

Sehen wir uns „die Parteien“ einmal an:
Macrons EN MARCHE ist ein offenes Bündnis von Gruppen und Individuen, keine Partei mit unklarem, nur grob definierten, Programm und (meines Wissens!) unklarer Finanzierung. Wer oder was oder wessen Geld steckt also hinter dem Neoliberalen Ex-Banker, der sich im Wahlkampf als Sozialliberaler gab? Es liegt in der Natur dieser offenen Gruppierungen und Bündnisse, wie es sie seit Jahren auch in Spanien gibt, daß sie, um größtmögliche Wirkung zu erzielen eine Art von kleinstem, gemeinsamen Nenner abbilden, um möglichst viele Stimmen auf dieser Minimalkonsensbasis zu erzielen. Der Ärger kommt später, nach der Wahl, beim Prozess der Regierungsbildung. Für den Zweiten Wahlgang hat die Zentrale der „zerschmetterten“ PS alle Mitglieder offiziell dazu aufgerufen, Macron zu wählen.

Marine Le Pen und ihr FRONT NATIONAL werden zwar im zweiten Wahlgang wohl einen Teil der Protestwähler des Ersten Wahlganges wieder verlieren. Ob die zusätzlichen Rechten aller Coleur ausreichen, diese Verluste auszugleichen und das Ergebnis wesentlich zu erhöhen, das darf getrost befürchtet werden. Man stellte sich in Umfragen einen 60:40 Sieg von Macron für den Zweiten Wahlgang am 7. Mai vor. Demnach sei er schon so gut wie gewählt. Schauen wir mal, zwei Wochen können eine lange Zeit sein in der Politik…

Der von seinem selbst angerichteten „Penelopegate“ schwer angeschlagene François Fillon wird womöglich nach seinem Wahldesaster noch heute von seiner Gruppierung LES RÉPUBLICAINS, vormals UMP, abgesetzt werden? Die Führungs trifft um 17 Uhr zusammen. Sarkozy hat seine Getreuen aber schon ab Mittag um sich versammelt. Fillon hatte nach seiner Niederlage schon früh zur Wahl Macrons aufgerufen. Aber ein Teil der Rechten könnte durchaus den FRONT NATIONAL als ein ein kleineres Übel als den Neoliberalen Macron ansehen und folglich zur Wahl Marine Le Pens aufrufen?

Große Gewerkschaften, auch die der Nationalen Polizei, haben ihre Mitglieder inzwischen zur Wahl Macrons aufgerufen und klar vor dem FRONT NATIONAL gewarnt!

Die Große Moschee von Paris hat alle Muslime Frankreichs zur Wahl von Macron aufgerufen. Der Islam ist nach den Katholiken die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft Frankreichs.

Um 16 Uhr hat Noch-Präsident François Hollande, der Vater des ganzen Debakels, im TV gerade LIVE erklärt, daß ER im 2. Wahlgang seinen illoyalen Ex-Wirtschaftsminister Macron wählen werde!

Wenn man die in dieser Wahl ausgedrückten politischen Lager einfach dem historischen Links-Rechts-Schema zuordnet, dann erhält man bei aller Ungenauigkeit in etwa das alte, traditionelle Bild in Frankreich, das eines Landes mit zwei annähernd gleich großen Blöcken von Links und Rechts: 23,9%+19,6%+6,3%= 49,8% LINKE und 21,4%+19,9%=41,3% RECHTE. Einen Teil des Rechten Spektrums der sogenannten Linksparteien muss ebenfalls den Rechten zugerechnet werden, dann passt das mit den beiden annähernd gleich großen politischen Lagern bei unseren Nachbarn im Westen…

Bei den Französischen Nationalwahlen im Juni, wo dann eine flächendeckende Infrastruktur der Parteien gefordert sein wird, wird sich die Stärke oder Schwäche von Macrons Bündnis EN MARCHE! zeigen und die Altparteien mit politischen Strukturen bis hinab in die kleinsten Dörfer können punkten. Macron könnte sich vermutlich einer konservativen und auch rechten Mehrheit im Parlament gegenübersehen und Kompromisse machen müssen, von denen er heute noch nicht einmal albträumt?

2 Responses to Frankreich nach dem ersten Wahlgang, alles wie gehabt?

  1. almabu sagt:

    Wie schon erwartet hat François Fillon heute Nachmittag vor dem HQ der Republikaner eine Presseerklärung abgegeben, worin er feststellte, nicht mehr die Legitimation zu besitzen, die Partei in die Nationalwahlen im Juni zu führen. Das sei dann eine neue Etappe für die er große Chancen und Möglichkeiten für die LES RÉPUBLICAINS sehe, bla, bla, bla…

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  2. almabu sagt:

    Wenn Emmanuel Macron das tut, wozu die Industrie- und Finanzwirtschaft ihn gerade installiert, dann werden diese neoliberalen „Reformen“, wie Verlängerung der Wochen- und Lebensarbeitszeit, Abbau hunderttausender Stellen im öffentlichen Dienst, Frankreich wettbewerbsfähiger, selbstbewusster und unabhängiger machen und dies wird zwangsläufig in Teilen zu Lasten Deutschlands gehen. Die EU insgesamt könnten diese Maßnahmen stabilisieren und verhindern, daß diese auf das ost- und südeuropäische Niveau reduziert wird, aber das alles ist noch Spekulation. Er muss erst einmal gewählt werden…

    Eine französische Zeitung schrieb dazu, es bestünde die Gefahr, daß Marine, Le Pen eine Art FRANXIT-Kampagne, eine Zuspitzung der gesellschaftlichen Schichten in der Art der BREXIT-Kampagne des UK anzetteln könnte in der es auf dem Niveau „WIR, hier unten, alle gegen DIE da oben“ zur Sache gehen könnte?

    Auch Nigel Farage, die Visage des BREXIT im EU-Parlament, hat sich zu Wort gemeldet und verkündet, daß Le Pen noch echte Chancen hätte und nur etwa 10% dazu gewinnen müsste um Präsidentin Frankreichs werden zu können. Keine Ahnung, wie der Mann rechnet?

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