Die Protagonisten der spanischen Separatisten-Krise, der katalanische Autonomiepräsident Carles Puigdemont und der spanische Präsident Mariano Rajoy haben sich am 11. Januar im Regierungssitz Moncloa in Madrid getroffen, gemeinsam gefrühstückt und geredet. Sie seien zu keiner Einigung gekommen, heisst es dazu heute, nachdem es über einen Monat lang von den Separatisten geleugnet worden war.
Puigdemont hatte angeblich seinen 46-Punkte-Forderungskatalog vom 20. April 2016 dabei, wollte aber nur über einen Punkt reden, die laut geltender spanischer Verfassung illegale Zerschlagung des spanischen Staates durch den Raub eines Teiles des spanischen Territoriums durch die selbsternannten Besitzer der spanischen Autonomie Katalonien mittels selbst erteilter Kompetenz!
Kein Wunder, daß unter diesen Umständen nichts bei dem Treffen herausgekommen sein soll!
Der eigentliche und für Puigdemont höchstpeinliche Skandal ist es, daß er das Treffen mehrfach öffentlich geleugnet hat und so vor der Öffentlichkeit und besonders vor seinen eigenen Anhängern als Lügner dasteht!
Die, laut Anna Gabriel Sabaté von den Anarcho-Separatisten der CUP, angeblich mit jährlich 15 Millionen Euro subventionierte einstmals seriöse Tageszeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona, eigentlich eine langjährige Unterstützerin der nationalkatalanistischen Separatisten, macht in letzter Zeit gewisse Absetzbewegungungen, zurück zu ein bißchen mehr Objektivität in der Berichterstattung. Man kann ja nie wissen und möchte am Ende wieder, wie schon am Ende der Franco-Diktatur, auf der richtigen, auf der Siegerseite stehen?
Diese LA VANGUARDIA hatte Gestern exklusiv über das Geheimtreffen Rajoy/Puigdemont berichtet. Puigdemont hatte es mehrfach öffentlich geleugnet. Rajoy, der Fuchs, hatte es weder bestätigt noch dementiert und die Zeitung konstatierte:
„…Hay comunicación. El Gobierno de España y el Govern de la Generalitat nunca han estado incomunicados en los momentos más críticos de estos últimos años…“
(„…Es gibt Kommunikation. Die Regierung Spaniens und die Autonomieregierung Kataloniens waren niemals ohne Verbindung in den kritischsten Momenten der letzten Jahre…)
Das würde die erstaunliche relative Ruhe Madrids bei dem regelmäßigen Kompetenzüberschreitungen und Gesetzesbrüchen der CAT-SEP’s erklären?
Der stets wie ein kleiner Gauner agierende Ex-Präsident der spanischen Autonomie Katalonien Artur Mas (el trilero = der Hütchenspieler!) habe vertrauliche Absprachen verletzt, weswegen jetzt gerichtlich gegen ihn vorgegangen werde. Außerdem habe er sich so als Gesprächspartner selbst verbrannt.
Puigdemont trat Gestern die Flucht nach vorne an und erklärte, daß das Referendum über die Unabhängigkeit der EINZIGE Gesprächspunkt für künftige Gespräche mit der Regierung sei. In der Autonomieregierung in Barcelona hatte man dazu keine Fragen, von keiner Seite des politischen Spektrums…
Jetzt kommt die erstaunliche Erkenntnis der LA VANGUARDIA: Gegenwärtig gäbe es keine politische Mobilisierung, keine Politik, sondern ausschließlich Propaganda und ab einem gewissen Maß von Propaganda pro Kubikmeter Luft beginne diese schlecht zu riechen!
Die Enthüllung über die „Geheimgespräche“ hat auf vielen Seiten Irritation und Ärger verursacht. Neus Munté, Autonomieministerin und Sprecherin der Separatistenregierung in Barcelona hatte noch bis vorgestern jegliche Gesrächskontakte geleugnet. Entweder hat sie wissentlich gelogen, oder sie war als Nummer Drei der Separatisten nicht eingeweiht? Beides keine schönen Alternativen für sie!
Aber auch der Koordinator von Rajoys PARTIDO POPULAR (PP) in Katalonien, Xavier García Albiol hatte diese Kontakte dreimal öffentlich geleugnet. Lügner, oder uninformierter Trottel? Er kann es sich aussuchen…
Artur Mas, der derzeit Abgemeldete, der offenbar an seinem Comeback arbeitet, tönte aus einer Versammlung in San Sebastian im Baskenland, daß man am Referendum festhalten werde und nicht im letzten Moment das Handtuch werfen wolle! Na, denn…
Bleibt festzuhalten: Die nationalkatalanistischen Separatisten arbeiten zweigleisig. Sie trommeln propagandistisch in allen von ihnen subventionierten Medien mit voller Kraft für eine Sezession, während sie hinter den Kulissen und offenbar auf mehreren Regierungs- und Hierarchieebenen mit dem bösen Feind in Madrid in heimlichen Kontakten stehen. Das lässt auf wachsende Spannungen innerhalb der keinesfalls homogenen Separatisten schließen, die von den geschwächten, neoliberalen PDECat (Ex-CDC) über die stabil-wachsende ERC und die zerstrittene, sich mit ständigen Maximalforderungen selbst zerlegende CUP vermutlich auf Dauer nicht ausgehalten werden?
Da kommt mir irgendwie ein sattsam bekannter Geruch in die Nase. Es riecht mal wieder nach vorgezogenen Neuwahlen in der spanischen Autonomie Katalonien! Vermutlich sollen diese dann wieder zum Referendum aufgeblasen werden, denn Neuwahlen kann Madrid nicht verbieten?
Wie es scheint hat Puigdemonts Verschweigen seiner Regierungskontakte mit Rajoy in Madrid zu einem Sturm der Entrüstung seiner Anhänger und auch seiner engsten Mitstreiter geführt mit dem Tenor: „Wir haben uns lächerlich gemacht!“
Puigdemont selbst hatte in einem Interview von CATALUNYA RADIO, einen Tag NACH dem Treffen mit Rajoy Gespräche geleugnet und evuentuell vage für im Laufe des Januar als Möglichkeit in Aussicht gestellt!
Er hat sich damit als Lügner geoutet und unmöglich gemacht. Dies ist vielleicht der geeignete Moment für den Versuch seiner Ablösung durch die CAT-SEP’s, denn Puigdemont hat aus ihrer Sicht absolut nichts für den Separatismus erreicht außer ihn lächerlich zu machen?
Während von der Regierung in Madrid aus die Oppositionsführer in Katalonien von dem Treffen erfuhren belog Puigdemont immer noch munter die Öffentlichkeit und machte sich zudem so erpressbar…
Auch der Führer von ERC und heimliche Motor der CAT-SEP’s Oriol Junqueras hatte ein Treffen mit Rajoy, das er zwar ebenfalls nach außen verheimlichte, aber er muss zumindest seine Umgebung informiert haben, ein solches nicht zu leugnen und sich so lächerlich zu machen.
Letztlich haben aber beide CAT-SEP-Anführer zweigleisig agiert und die Anarchos der CUP dürfen sich jetzt doppelt verarscht fühlen. Ohne deren acht Stimmen haben die CAT-SEP’s aber keine absolute Mehrheit und damit keine Legitimation mehr im katalanischen Autonomieparlament. Wie geht es weiter?
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Guter Artikel von Tobias Buck in der FINANCIAL TIMES in englischer Sprache:
https://www.ft.com/content/c9bf1ce0-f9b0-11e6-bd4e-68d53499ed71
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